"Vereinbarkeit Beruf - Familie": Der Zwang zur Power-Frau?
- Kritische Anmerkungen zu einem zeitgeistigen Slogan - von Andreas Dobersberger
Der Slogan von der "Vereinbarkeit von Beruf und Familie" ist in aller
Munde. Kaum ein Familienpolitiker, kaum eine Familienorganisation will
heute auf Tipps verzichten, wie man Kinder und Erwerbstätigkeit besser
unter einen Hut bringen könnte. Doch Vorsicht: Der Slogan von der
"Vereinbarkeit von Familie und Beruf" umschreibt im heutigen politischen Diskurs zumeist ein Ziel: dass die Familie so lange zurücktritt, bis sie dem Erwerb vereinbar ist. Mütter sollen Kinder und Karriere unter einen Hut bringen - durch ganztägige Kinderbetreuungsplätze, durch Ganztags-Schulen, durch Betriebskindergärten. Damit Kinder nur ja nicht stören, wenn Papi und Mami als ehrgeizige Workoholics die Wirtschaft ankurbeln.
Mütter, die dieses Spiel nicht mitspielen wollen, werden - mehr oder
weniger direkt - als "Heimchen am Herd" verächtlich gemacht.
Selbstverwirklichung durch Kindererziehung und Familienarbeit? Das kann doch wohl nur eine von Männern erfundene Biedermeier-Idylle zur Unterdrückung der Frau sein.
Wir wären kein "Familienverband", würden wir nicht für die Wertschätzung der Familienarbeit eintreten. Also werden wir uns davor hüten, unkritisch in den Chor der "Vereinbarkeits"-Apostel einzustimmen. Das Idealbild von der "Powerfrau", die im Designer-Kostüm die Firmenbilanz in den Höhe treibt, während sie zugleich rührselige Mutter und immerzu attraktive Ehefrau ist, gibt es ohnehin nur in Hollywood-Filmen. Warum soll das, was bis vor wenigen Jahren als "Doppel- und Dreifach-Belastung" beklagt wurde, unter dem Titel "Vereinbarkeit" plötzlich schick sein?
Die Vorstellung, gleichzeitig voll berufstätig zu sein und die Kinder
optimal zu betreuen, war immer eine Illusion - und wird es immer bleiben.
Man kann nicht Lebensbereiche "vereinbaren", die zur selben Zeit an
unterschiedlichen Orten stattfinden. Wer Zahlen-Kolonnen in den PC tippt,
Lederwaren verkauft oder älteren Damen die Haare schneidet, kann nicht gleichzeitig seinen Kindern ein Märchen vorlesen oder ihre aufgeschundenen Knie verarzten.
Und was ist mit den Männern?
"Dann sollen sich eben die Väter mehr um die Kinder kümmern!", höre ich sofort den Einwand. Ganz richtig so, dafür bin ich auch! Nur: Wie macht man Männern eine Arbeit schmackhaft, die man für so minderwertig hält, dass man Frauen unbedingt davon "befreien" will?
Ich glaube, das Problem steckt in unseren Köpfen: Im unserem
Unterbewusstsein reden wir uns ein, dass Arbeit in der Familie eher "lästig" und wenig "wertvoll" ist. Die wirklich "wichtige" Arbeit, die wartet draußen in der Firma, wo wir als großer "Macher" die Welt aus den Angeln heben kann - zumindest solange, bis uns der Herzinfarkt hinwegrafft. Die Genugtuung, dass die eigene Firma um 0,5 Prozent mehr Gewinn macht als im Vorjahr, scheint für die Zukunft der Menschheit wichtiger zu sein, als zwei oder drei Kinder zu lebensfähigen und glücklichen Menschen zu erziehen. Soll diese rein ökonomische Sichtweise des Lebens - leider eine Erfindung der Männer - nun auch allen Frauen überstülpt werden?
Was sonst kann wohl gemeint sein, wenn manche rufen, man dürfe "Frauen nicht an den Herd drängen" - Zeigt das Bild vom "Heimchen am Herd" etwa den großen Respekt vor der Erziehungsarbeit? Oder lautet die subtile Botschaft nicht vielmehr: "Karriere hui, Kinder pfui"? Wer so denkt, darf sich nicht wundern, wenn Männer nur sehr zaghaft Aufgaben in der Familie übernehmen. Und leidenschaftliche Väter, die lieber in Karenzurlaub gehen als große Karriere machen wollen, als Sonderlinge abgestempelt werden.
Erwerbstätigkeit als Sinn des Lebens?
Ich würde mir wünschen, dass die Überzeugung Platz greift: Kindererziehung ist ein wichtiger und wertvoller Beruf - und zwar für Männer wie für Frauen! Schade, dass wir im Hinterfragen gesellschaftlicher Konventionen so müde geworden sind. Lieber folgen wir dem gesellschaftlichen Dogma, das uns sagt: "Der Sinn des Lebens besteht darin, unselbständig erwerbstätig zu sein."
Doch stimmt dieses Dogma mit der Wirklichkeit überein? Haben wir wirklich keine andere Sehnsucht, als im beruflichen Wettlauf um Geld und Macht ganz vorne mit dabei zu sein? Ich denke, das die Revolution wie so oft von unten kommen wird. Von dort, wo viele Menschen zum Begriff "Karriere" ohnehin ein gespaltenes Verhältnis haben. Wie sieht sie denn aus - die Karriere einer geringfügig Beschäftigten im Handel, die ihr Gehalt nicht zum Spekulieren an der Börse, sondern einfach zum Überleben braucht? Ist Erwerbsarbeit nicht oft auch eine Form von Knechtschaft, während die berufliche "Selbstverwirklichung" eher privilegierten Eliten vorbehalten bleibt? Das neue Kinderbetreuungsgeld wird hier einiges ans Tageslicht bringen. Weil es vielleicht zeigen wird, wie viele Mütter lieber bei ihrem Kindern bleiben, als den ganzen Tag hinter der Kassa eines Supermarkts zu sitzen.
Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Natürlich soll die
Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit - bis zu einem bestimmten,
familienverträglichen Grad - möglich sein. Sie darf aber niemals zum Zwang werden! Die Katholische Soziallehre betont das Subsidiaritätsprinzip, das bedeutet: Was die kleine Gemeinschaft zu leisten vermag, soll nicht eine größere Gemeinschaft an sich reißen. Für uns heißt das: Die Familie - als kleinste Einheit im Staat - muss die Chance haben, ihre Aufgaben selbst wahrzunehmen, wenn sie das möchte.
Mut zu eigenen Visionen
Im Klartext heißt das: Niemand anderer als die Familien selbst sollen
entscheiden, ob und in welchem Ausmaß sie Erwerbsarbeit und Familie unter einen Hut bringen und in welchem Umfang sie ihre Kinder außer Haus oder in der eigenen Familie betreut wissen wollen. Dies gelingt nur in einem flexiblen System der Kinderbetreuung, das ein Maximum an Wahlmöglichkeiten zulässt. Das geplante Kinderbetreuungsgeld ist hier sicherlich ein großer Schritt in die richtige Richtung.
Nicht selten kommt der Einwand, katholische Familienvertreter müssten mehr dem "gesellschaftlichem Wandel" Rechnung tragen. Aber ist dieser gesellschaftliche Wandel ein unveränderliches Naturgesetz? Wurde er nicht durch politisch verfügte Rahmenbedingungen gezielt begünstigt? Jede Politik verfolgt doch das Ziel, die Gesellschaft nach bestimmten Idealen zu verändern. Wo steht geschrieben, dass katholische Familienvertreter diese Ideale von anderen Gruppen kritiklos übernehmen müssen? Sie dürfen und sollen selber Politik machen!
Zugegeben: Auch Katholiken sehnen sich danach, für ihre Position
öffentlichen Applaus zu ernten, anstatt "gegen den Strom" schwimmen zu müssen. Doch keine Angst: Dass eine klare Positionierung für mehr Familien-Rechte kein "Rückzugsgefecht" sein muss, zeigt die öffentliche Meinung im Volk, die mit der medial "veröffentlichten" Meinung nur wenig gemeinsam hat: Bereits Mitte der 90er Jahre erhob das Institut für Familienforschung, dass Österreichs Mütter nach der Geburt beim Kind bleiben wollen - am liebsten bis zum Schuleintritt. Die damalige Nachricht klang für Journalisten so unwahrscheinlich, dass man sie unter den Teppich kehrte.
Was wollen Eltern wirklich?
Die Erkenntnis war aber nicht neu: Bereits einige Monate zuvor hatte das
"spectra"-Institut erhoben, dass 60 Prozent der Österreicher einen
Full-Time-Job und Kinder für unvereinbar halten. Und schon ein Jahr zuvor hatte eine Umfrage des Instituts für Höhere Studien ergeben: Die meisten Österreicher halten es für das Beste, wenn ein Elternteil zu Hause bleibt und sich um Haushalt und Kinder kümmert. Auch im Sozialministerium ruhte schon damals eine Studie, wonach 76 Prozent der Frauen meinen, dass ein Vorschulkind wahrscheinlich darunter leidet, wenn beide Eltern berufstätig sind.
Da war die Überraschung nicht allzu groß, als vor den letzten
Nationalratswahlen eine im Auftrag des Familienverbandes durchgeführte Fessel-Umfrage ergab: Mehr als drei Viertel (!) der unter 30jährigen befürworten nicht nur ein "Karenzgeld für alle", sondern auch einen "Kinderbetreuungsscheck" zwei bis drei Jahre über die Karenzzeit hinaus.
Schade, dass alle diese Untersuchungen nicht ausreichten, um sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass die meisten Familien ihre Kinder wenigstens in den ersten Jahren selbst betreuen wollen. Offenbar brauchte es einen Populisten wie Jörg Haider, um zu erkennen, dass man mit Ideen wie dem "Kinderscheck" sogar Wahlen gewinnen kann.