Steuerreform-Pläne: Wer doppelt verdient, soll weniger Steuern zahlen!
Wiener Katholischer Familienverband:
Ohne wahlweises Ehepartner- Splitting ist Steuerreform ungerecht - Wer arm oder reich ist, steht nicht auf dem Lohnzettel, sondern hängt davon ab, wie viele Gehälter einer Familie zur Verfügung stehen!
Wien, 10. 6. 02
Vor einer Steuerreform nach dem Motto "Wer doppelt verdient, zahlt weniger Steuern" hat der Katholische Familienverband der Erzdiözese Wien (KFVW) gewarnt. Ohne ein wahlweises Ehepartner-Splitting bringe jede Steuerreform neue soziale Ungerechtigkeiten". Ein Steuersystem, das - wie die gegenwärtige Individualbesteuerung - von lauter beziehungslosen "Einsiedlern" ausgehe, sei vollkommen wirklichkeitsfremd und entlaste "meist die Falschen". Denn wer arm oder reich ist, stehe nicht auf dem Lohnzettel, sondern hänge auch davon ab, wie viele Gehälter in einer Familie zur Verfügung stehen.
Die zuletzt diskutierte Entlastung von Einkommen bis 3.000 Euro würde dazu führen, dass "Doppelverdiener, die miteinander 6.000 Euro zur Verfügung haben, entlastet werden. Alleinverdiener-Familien, die mit 3.100 Euro (beinahe der Hälfte!) auskommen müssen, würden dagegen als "zu reich" durch die Finger schauen. "Das kann unmöglich sozial gerecht sein", warnte KFVW- Vorsitzender Andreas Dobersberger.
Ein ganzer Monatslohn
Wie der Katholische Familienverband vorrechnete, bezahlt schon jetzt eine Alleinverdiener-Familie mit einem Monatseinkommen von 2.200 Euro um genau 2.640,24 Euro mehr Steuern im Jahr als eine Doppelverdiener-Familie mit gleich viel Haushaltseinkommen: So kassiert der Staat von einer Familie mit zwei Einkommen zu je 1.100 Euro (miteinander 2.200 Euro) 1.405,52 Euro Lohnsteuer im Jahr. Eine Alleinverdiener-Familie mit 2.200 Euro muss hingegen jährlich 4.045,76 Euro an den Staat abliefern. Der Grund: Wer 2.200 Euro auf dem Lohnzettel stehen hat, gilt automatisch als "reicher" als jemand mit 1.100 Euro - egal, ob der Partner gar nichts oder sehr viel verdient, so Dobersberger. Der "Alleinverdiener-Absetzbetrag" von 363,36 Euro pro Jahr wurde in dem Beispiel bereits berücksichigt.
Eine Alleinverdiener-Familie muss also mehr als "einen ganzer Brutto- Monatslohn mehr an den Staat abliefern" als eine Doppelverdiener-Familie, obwohl ihr Einkommen "um keinen Cent höher ist", so die Kritik des Familienverbandes. Trotz der "gleichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit" würden Alleinverdiener-Familien "diskriminiert".
Zusätzliche Verschärfung
Eine - wie offenbar geplant - bloße Steuersenkung bis zu einer bestimmten Einkommenshöhe würde diese Diskriminierung "noch verschärfen", so der KFVW. Wirkliche Gerechtigkeit schaffe nur ein "wahlweises Ehepartner- Splitting" ähnlich wie in Deutschland. Beim "Splitting" wird das Einkommen beider Partner zusammengerechnet und zu gleichen Teilen aufgeteilt - also "gesplittet". Von diesen beiden Einkommen wird - so wie bei Doppelverdienern - getrennt die Steuer ermittelt. Da das Ehepartner-Splitting "wahlweise" wäre, würde das bisherige System weiter bestehen, sodass jede Familie die für sie "günstigere" Variante in Anspruch nehmen könnte. Von dem Splitting würden auch Doppelverdiener-Familien profitieren, wenn die Einkommen der Partner sehr unterschiedlich sind. Das würde - so der KFVW - besonders die Teilzeitarbeit steuerlich begünstigen.
Durch neue Studie bestätigt
Der KFVW-Vorsitzende verwies auf eine neue Studie des WIFO-Experten Gerhard Lehner. Demnach würden Familien in Deutschland steuerlich weit besser behandelt als in Österreich. Die WIFO-Studie geht dabei den international unterschiedlichen Systemen zur Besteuerung von Familien auf den Grund: Die sogenannte "Individualbesteuerung", wie sie in Österreich angewendet wird, sehe die Familie "nicht mehr als Einheit", die Verwendung des Einkommens innerhalb der Familie bleibe "außer Betracht". Der Individualbesteuerung liege die Auffassung zu Grunde, dass "jedes Familienmitglied für sich alleine wirtschaftet". Anders beim "Splitting, das laut der WIFO-Studie "international weit verbreitet" ist. Es wird zum Beispiel in Deutschland, den USA, Frankreich und Portugal angewendet. In Deutschland haben Familien sogar ein "Wahlrecht" zwischen dem Splitting und der Individualbesteuerung.
Laut der neuen WIFO-Studie zahlt in Österreich ein Alleinverdiener mit zwei Kindern bei einem niedrigen Einkommen (33 Prozent unter dem Durchschnitts- Einkommens) um 11 Prozent weniger Steuern als ein Kinderloser. In Deutschland ist diese Ersparnis mit 19,3 Prozent deutlich höher. Noch krasser fällt der Unterschied zu Deutschland bei einem Durchschnitts-Einkommen aus: Dann nämlich erspart sich eine Familie in Österreich nur mehr 6 Prozent an Steuern, eine Familie in Deutschland dagegen 21,2 Prozent.
Eine Idee macht Schule
Der Vorschlag des KFVW zur Einführung des wahlweisen Ehepartner- Splittings findet unterdessen immer mehr Zustimmung: Mittlerweile wird die Forderung aus Wien auch von den Katholischen Familienverbänden der Diözesen St. Pölten, Graz-Seckau und Salzburg unterstützt. Auch der Katholische Familienverband der Diözese Linz hat der steuerlichen Benachteiligung von Alleinverdiener-Familien den Kampf angesagt. Der persönliche Dialog mit den zuständigen Politikern in Sachen "Splitting" ist dank des KFVW bereits in vollem Gang. "Wie schon beim Kampf für das Kinderbetreuungsgeld hat der KFVW wieder die Vorreiterrolle übernommen. Wir werden nicht locker lassen, bis das wahlweise Ehepartner-Splitting verwirklicht ist", verspricht Dobersberger.
Nach den Worten des KFVW-Vorsitzenden brächte das wahlweise Splitting den Familien noch mehr Vorteile als die alte Forderung nach dem "Steuerfreien Existenzminimum für alle Familienmitglieder". Der Grund: Nach zwei Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes - und den Reformen danach - dürfte mit den heutigen Kinderabsetzbeträgen der Ruf nach dem steuerfreien Existenzminimum für Kinder politisch "ziemlich ausgereizt" sein. Allenfalls erreichbar wäre noch ein "steuerfreies Existenzminimum" für den nicht- erwerbstätigen Ehepartner durch Anhebung des Alleinverdienerabsetzbetrags (364 €) auf die Höhe des Allgemeinen Absetzbetrags (887 €). Das würde jeder Alleinverdiener-Familie in Österreich eine Entlastung von jährlich 523 ? bringen. Das Ehepartner-Splitting würde hingegen (z.B. bei einem monatlichen Bruttolohn von 2.200 €) eine jährliche Entlastung von 2.640,24 € bewirken.