Reform der Sozialhilfe! Kampf der Arbeitslosigkeit! Doppelspiel der Sozialpartner
Der Katholische Familienverband der Erzdiözese Wien (KFVW) deckt soziale Missstände auf und fordert deren Beseitigung:
Im Rahmen einer Pressekonferenz hat der Katholische Familienverband auf "Misstände" in den Sozialhilfegesetzen von Niederösterreich und Wien hingewiesen.
Die Sozialhilfe, das unterste soziale Netz, ist von Bundesland zu Bundesland verschieden geregelt und dringend reformbedürftig. In Niederösterreich wird Sozialhilfe nur als "Darlehen" gewährt, wobei für die Rückzahlung auch die Kinder und Eltern des Hilfeempfängers haftbar gemacht werden. In Wien fehlt wiederum bis heute ein Rechtsanspruch auf Sozialhilfe für Ausländer, so die Kritik des Vizevorsitzenden und Leiters des Wirtschafts-Arbeitskreises des KFVW, Alfred Racek.
Konkrete Verbesserungsforderungen für das Niederösterreichische Sozialhilfegesetz sind:
1. Völliger Entfall der Ersatzpflicht durch ehemalige Hilfsempfängerinnen und -empfänger, zumindest aber eine Beschränkung auf vorsätzlich herbeigeführte Notlagen bzw. Fälle nicht bekannt gegebener eigener Mittel.
2. Abschaffung der Ersatzpflicht durch Angehörige, also von Kindern für ihre Eltern sowie von Eltern für ihre Kinder. Damit würde der "verschämten Armut", die aus der Nichtinanspruchnahme eigentlich gebührender Leistungen aus Rücksicht insbesondere auf unterhaltspflichtige Nachkommen resultiert, ein wirksamer Riegel vorgeschoben.
ZÖGERLICHES WIEN
Während das Land Wien in vorbildlicher Weise keinen Ersatz von „Hilfen zur Sicherung des Lebensbedarfs“ von ehemaligen Hilfsempfängerinnen bzw. Hilfsempfängern noch deren Angehörigen fordert, hinkt es, was den Rechtsanspruch auf diese elementare Sicherung des Lebensunterhalts für rechtmäßig im Land Wohnende ohne österreichische Staatsbürgerschaft anlangt, hinter der niederösterreichischen Regelung nach. Das NÖ-SHG sieht nämlich - diesbezüglich vorbildlich – von der österreichischen. Staatsbürgerschaft bei jenen Ausländern ab, die rechtmäßig seit mindestens drei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Niederösterreich haben. Dadurch haben auch Ausländer in Niederösterreich einen Rechtsanspruch auf Sozialhilfe.
In Wien gibt es für Ausländer, die nicht EU-Bürger sind, keinen Rechtsanspruch auf Sozialhilfe. Das gilt auch für Asylwerber. Für diese Personengruppe kann Sozialhilfe nur in ganz bestimmten Härtefällen ausbezahlt werden. Vor den Wiener Gemeinderatswahlen sagte die Wiener SPÖ dem Katholischen Familienverband der Erzdiözese Wien (KFVW) Folgendes zu: „Ein Rechtsanspruch wird angestrebt.“ Zudem verwies die ressortzuständige Vizebürgermeisterin Grete Laska darauf, dass ein „neuer Erlass über die Gewährung von Sozialhilfe an Fremde in Arbeit“ sei.
Auch das „Zukunftsprogramm der Wiener Sozialdemokraten“ enthielt die eindeutige Zusage: „Es soll Hilfe für jene geben, die sie brauchen, also auch Sozialhilfe für ZuwanderInnen.“
Der KFVW fordert daher von der Wiener SPÖ die ehestbaldige Einlösung ihrer Zusage der Einführung eines Rechtsanspruchs auf Sozialhilfe auch ohne österreichische Staatsbürgerschaft für jene Zuwanderinnen und Zuwanderer und ihre Familien, die rechtmäßig seit einer Mindestdauer von drei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Wien haben.
Dafür, dass dieses „Nachziehen“ der Sozialhilfe keinen unerwünschten Migrationsschub auslöst, sorgt ausreichend das Fremdenrecht. Das dort formulierte Kriterium des rechtmäßigen Aufenthalts genügt. > Die Sozialhilfegesetze für Niederösterreich und Wien sind in den genannten Punkten raschestmöglich zu verbessern. Auf eine bundeseinheitliche Regelung warten wäre nichts anderes als eine faule politische Ausrede der Verantwortlichen zum Schaden gerade der Ärmsten in unserem Land.
KAMPF DER ARBEITSLOSIGKEIT!
Groteske Gesetzeslage:
Die derzeitige gesetzliche Situation für die Weiterbildung von Arbeitslosen ist folgende: Der Besuch einer öffentlichen Tagesschule schließt – so die Gesetzeslage – Leistungen der Arbeitslosenversicherung aus, weil in diesem Fall die Vermittelbarkeit nicht gewährleistet sei. Der Besuch einer Abendschule, die ja auch neben einer vollen Berufstätigkeit absolviert werden kann, ist hingegen zulässig.
Saisonal bedingt arbeitslosen Bauleuten ist es jedoch groteskerweise nicht gestattet, während der Winterperiode eine Bauhandwerkerschule zu besuchen. Das Arbeitsmarktservice (AMS) streicht Weiterbildungswilligen in diesem Fall das Arbeitslosengeld (bzw. droht damit) und verhindert so eine sinnvolle fachspezifische Weiterbildung in der „toten Saison“.
Doppelzüngige Sozialpartner
Als schamloses Ausnützen der Situation weiterbildungswilliger arbeitsloser Bauleute muss die doppelzüngige Politik der Sozialpartner bezeichnet werden: Auf der einen Seite beharren diese auf der punktgenauen Durchführung dieser grotesken Gesetzeslage, auf der anderen Seite wird nur deklamatorisch deren Änderung gefordert. Dieses Doppelspiel spielen die Sozialpartner seit November 1995! So fallen die weiterbildungswilligen Bauleute im Endeffekt den Instituten der Sozialpartner zu.
Deshalb fordert der KFVW die Abschaffung der unsinnigen Verbotsregelung für arbeitslose Bauleute, sich fachspezifisch in einer berufsbildenden Schule (und zwar nicht nur in der Abendform) weiterzubilden. Konkret geht es um die gesetzliche Erlaubnis zum Besuch der genau auf die „tote“ Bausaison abgestellten Bauhandwerkerschule, die von Anfang Dezember bis Ende März geführt wird.
Wien, 17. 1. 2003 Gesprächspartner: Dr. Alfred Racek, Vizevorsitzender und Wirtschaftskreisleiter des Katholischen Familienverbandes der Erzdiözese Wien (KFVW)