Kinderstimmrecht: Familienverband unterstützt Schüssel
Wiener Katholischer Familienverband zum jüngstem Kanzler-Vorstoß:
Kinderstimmrecht nach dem Prinzip "Jedem Bürger eine Stimme" sollte wichtiges Thema in Beratungen über neue Bundesverfassung sein
Wien, 27.5.03 (KAP)
Als demokratiepolitisch "innovativen" Vorschlag, der für die Beratungen über eine neue Bundesverfassung eine wichtiges Thema sei, hat der Wiener Katholische Familienverband (KFVW) die von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel am Dienstag vorgestellte Idee eines Kinderstimmrechts begrüßt. Nach Einführung des Frauenwahlrechts zu Beginn des 20. Jahrhunderts seien Kinder die einzige Gruppe in der Bevölkerung, die vom Wahlrecht ausgeschlossen sei. Das "allgemeine Wahlrecht" in Österreich sei in Wirklichkeit ein bloßes "Erwachsenen- Wahlrecht" und diskriminiere 20 Prozent der Bevölkerung, sagte KFVW-Vorsitzender Andreas Dobersberger. Schüssel hatte bei einem Vortrag im Rahmen des internationalen Kongresses zur Stadtmission bedauert, dass Kinder "nicht einmal über ihre Eltern ein Stimmrecht" hätten. Hier sollte man nachdenken, ob es nicht Ideen gäbe, dies zu ändern, so der Kanzler.
Laut Katholischem Familienverband ist der Ausschluß von Kindern von der demokratischen Entscheidungsfindung umso zweifelhafter, als jeder Bürger ab der Geburt als "Rechtsträger" anerkannt sei. So könnten Kinder problemlos als "Erben" bedacht werden. Und wenn die Erbschaft aus Aktien besteht, hätten sie in der Aktionärs-Versammlung auch ein Stimmrecht, das vom gesetzlichen Vormund wahrgenommen wird. Es sei nicht einzusehen, warum Kinder nicht auch bei staatlichen Wahlen eine Stimme haben sollten, die von den Eltern als gesetzlichen Vertretern wahrgenommen wird, so Dobersberger.
Derzeit müssten Eltern hinnehmen, dass eine anonyme Wählerschaft mit über das Schicksal ihrer Kinder entscheidet. Allein was im Bereich der Staatsverschuldung, der Pensionslasten und der Umweltsünden den Kindern und Kindeskindern zugemutet werde, sei die ernsthafte Überlegung "Jedem Bürger eine Stimme" wert.
Prominente Unterstützer Unterstützung für ein so genanntes "Kinderstimmrecht", bei dem auch Kinder - vertreten durch ihre Eltern - wählen dürfen, hat es in der jüngeren Vergangenheit aus der ÖVP und der FPÖ gegeben. Auch der Verfassungsexperte und Niederösterreichische Landtagsdirektor Karl Lengheimer hatte sich wiederholt für ein Kinderstimmrecht stark gemacht. Diese wäre eine "Verbesserung des allgemeinen Wahlrechts". Denn auch Kinder gehörten zum "Volk", vom dem ja nach den Grundsätzen des Staates das Recht auszugehen hat. Eine solche Änderung müsste jedoch Hand in Hand mit einer Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre gehen, weil 16- jährige wohl nicht einverstanden wären, wenn die Eltern für sie entscheiden würden.
Für die Änderung des Wahlrechts zu Gunsten der Kinder hat sich auch wiederholt der österreichische "Familien-Bischof" Klaus Küng stark gemacht.
Auch der Demograph und Familienforscher Wolfgang Lutz gilt als Verfechter eines "Kinderstimmrechts", bei dem auch die Kinder - vertreten durch die Eltern - berücksichtgt werden. Es gebe dafür einige "triftige Gründe" wie die eklatante gesellschaftliche Benachteiligung von allein Erziehenden oder von Familien mit vielen Kindern, deren hohes Armutsrisiko vermutlich "damit zusammenhängt, dass sie kaum politisches Gewicht haben". Außerdem werde der Anteil der über 60-jährigen in Österreich in den nächsten Jahrzehnten stark steigen, was das "politische Gleichgewicht der Generationen" massiv verändern werde. Laut Lutz könnten Pensionisten bald eine absolute Mehrheit unter den Wahlberechtigten stellen, die allerdings "eine objektiv andere Interessenlage als die jungen Menschen haben". Ein solche "Verzerrung der Repräsentanz der Generationen" könne - so Lutz - der Demokratie nicht gut tun.
Vorreiterrolle der Kirche
Beim "Kinderstimmrecht" kommt der katholischen Kirche in Österreich seit Jahren eine Vorreiterrolle zu: Bei Pfarrgemeinderatswahlen dürfen Eltern in Vertretung ihrer Kinder eine Stimme abgegeben. Die Kinderstimme wird auf Vater und Mutter verteilt: Jeder Elternteil kann pro Kind eine halbe Stimme abgegeben. Alleinerziehende haben für jedes Kinder eine ganze Stimme. Kinder, die bereits gefirmt sind, können als "mündige Christen" selbst ihre Stimme abgeben.
Andreas Dobersberger
Kath.Presseagentur KATHPRESS
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