50 Jahre KFVW - Teil 4 - Die Altpräsidenten: Dr. Leopold Kendöl (Vorsitzender 1975 – 1978, KFÖ-Präsident 1978 – 1981)
Anlässlich des diesjährigen 50 Jahr-Jubiläums des Katholischen Familienverbandes der Erzdiözese Wien (KFVW) bringen wir nun in jeder Ausgabe unserer Mitgliederinformation - und natürlich auch online - einen Beitrag über einen ehemaligen Vorsitzenden des Katholischen Familienverbandes
Der Hungerstreik auf dem Wiener Ballhausplatz hat ihn in ganz Österreich berühmt gemacht. Noch immer ist er stolz darauf und auch heute noch spürt man die Leidenschaft für die große Politik, die ihn mehrfach alles auf eine Karte setzen ließ. „Ja, ich war wahrscheinlich der politischste Familienverbandsvorsitzende“, sagt Alt-KFÖ-Präsident Dr. Leopold Kendöl, Parteigründer, Lehrer, Personalist des erzbischöflichen Schulamtes und späterer Gemeinderat der Grünen. Noch heute liebt er es, gefragt zu werden, auch wenn der Anruf am Handy während unseres Gesprächs am Stephansplatz heute „nur“ der fachgerechten Entsorgung von Ytong-Platten gilt.
Der durch Helmut Schattovits zum Familienverband Gestoßene arbeitet als Personalist im erzbischöflichen Schulamt, ist Vater von sieben Kindern und ärgert sich über die Familienpolitik des damaligen Finanzministers Hannes Androsch, der durch die Umstellung von Freibeträgen auf Absetzbeträge vor allem die Ein- und Zwei-Kind-Familie fördern will. 1979 konstituiert sich im Finanzministerium eine Steuerreformkommission. Präsident Dr. Leopold Kendöl ist als Vertreter des Familienverbandes Mitglied dieser Kommission, an der Bundeskanzler Bruno Kreisky höchstes Interesse hat. Das Hauptanliegen des Familienverbandes vor 25 Jahren fast wie heute: die Berücksichtigung der Familie im Steuerrecht. Kendöl sieht in einem „gedeckelten Freibetrag“ den einzig gerechten Ausweg im Streit mit Kreisky und Androsch.
Als 1980 eine geplante Novelle zum Familienlastenausgleichsgesetz die Abschaffung der Mehrkind- und die Einführung einer Altersstaffel vorsieht, protestiert Dr. Kendöl mit einem einwöchigen Hungerstreik am Ballhausplatz gegen die Diskriminierung der Mehrkindfamilien und die „herzlose Familienpolitik der Bundesregierung“. Vertreter des Familienverbandes werden daraufhin von Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky und Staatssekretärin Elfriede Karl zu einem Gespräch empfangen. In einem gemeinsam unterzeichneten Kommuniqué sagt Bundeskanzler Kreisky zu, 1982 die Familienbeihilfe für Kinder über zehn Jahre auf 1200 Schilling anzuheben. Der erste Schritt zur Altersstaffel, aber nicht der zurück zur Mehrkindstaffel ist getan. Die Novelle zum Familienlastenausgleichsgesetz wird vom Parlament trotzdem wie geplant beschlossen. Ironie der Geschichte: Heute gibt es dank der schwarz-blauen Bundesregierung sowohl Mehrkind- als auch Altersstaffel bei der Familienbeihilfe.
Dennoch hat Leopold Kendöl mehr als einen Achtungserfolg errungen und Bundeskanzler Kreisky bietet ihm an, Staatssekretär für Familienfragen im Bundeskanzleramt zu werden. Warum er dieses Amt nicht annimmt? „Weil wir unsere Vorstellungen nicht durchgebracht hätten“, und weil er sich nicht als Mehrheitsbeschaffer missbrauchen lassen wollte: „Die SPÖ wollte damit natürlich christliche Wähler gewinnen.“ Außerdem wäre er lediglich in die Zeit des Niedergangs Bruno Kreiskys gekommen und der Streit zwischen Kreisky und Androsch zeichnete sich schon überdeutlich ab.
Leopold Kendöl hat eine andere, gewagte Idee, gründet die „Partei Neues Österreich“, die er nicht Familienpartei nennen will - und bricht alle Brücken hinter sich ab. Dieser Sprung ins Unbekannte wird von vielen Funktionären des Familienverbandes damals wie heute als schwerer Fehler gesehen, Leopold Kendöl bezeichnet diesen Schritt heute als „Kopfgeburt“, der die Bewegung gefehlt habe. Was ihn damals dennoch dazu veranlasst habe? „Wenn die Mandate fehlen, kann man nicht selbst Politik machen“, so Kendöl. Aus diesem Grund wollte er nicht nur überparteiliche Interessensvertretungspolitik machen. Was er dabei übersehen hat, gibt er heute offen zu: „Das Familienthema fehlt in der Bevölkerung als Bewegung, es fehlt die Solidarität über einen gewissen Zeitraum hinaus. Jeder, der es hinter sich hat, vergisst dieses Thema wenn die Kinder groß sind.“ Hingegen wäre das Umweltthema sehr wohl als Bewegung in der Bevölkerung präsent gewesen – ein Umstand, der Leopold Kendöl schließlich nach zwei Jahren (vergeblicher) Arbeit für die „Partei Neues Österreich“ auch zu den Grünen brachte.
Ob es ihm nicht manchmal Leid tue, vom Posten des einflussreichen Personalchefs des Schulamtes und KFÖ-Präsidenten , der zu den zweihundert bekanntesten Österreichern gehört hat, in die Niederungen der Kommunalpolitik zurück gestiegen zu sein, frage ich den alten Politfuchs. „Nein, nein“, wehrt er bescheiden ab. „Ich bin zufrieden, hab’ viel vom Leben gelernt, mit meiner Frau verbindet mich nach wie vor eine tiefe Freundschaft, hab’ Einfluss genug.“ Die Grünen habe er entscheidend mitgeprägt und diese hätten schließlich bei der jüngsten Landtagswahl ordentlich zulegen können. „Und beim Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist Madeleine Petrovic besser als ich.“
Welche Tipps könne er uns jetzt Tätigen geben? „Offen zu sein - gerade in einer Großstadt wie Wien ist Offenheit notwendig.“ Und auch die Serviceschienen seien zu forcieren: „Der Oma-Dienst war und ist gut.“ Vor allem aber – das habe er gelernt - müsste der Einfluss der Frauen ausgebaut werden. „Das Erfolgsrezept lautet, dass Frauen in Politik und Kirche so daheim sind wie Männer.“
Mag. Andreas Cancura