50 Jahre KFVW - Teil 6 - Die Altpräsidenten: Univ. Prof. Dr. Herwig Kucera (Vorsitzender 1984 – 1990)
Anlässlich des diesjährigen 50 Jahr-Jubiläums des Katholischen Familienverbandes der Erzdiözese Wien (KFVW) bringen wir nun in jeder Ausgabe unserer Mitgliederinformation - und natürlich auch online - einen Beitrag über einen ehemaligen Vorsitzenden des Katholischen Familienverbandes
„Bestens“, lautet die Antwort des immer fröhlichen Gynäkologen Univ. Prof. Dr. Herwig Kucera, wenn man ihn fragt, wie es ihm geht. Strahlend wie zu den Zeiten, als er im weißen Mantel schnell einmal vom AKH am Stephansplatz vorbeischaute, betritt er das kleine Familienverbandsbüro am Stephansplatz. „Gehen wir in medias res“, sagt der dynamische 61-Jährige, ganz Professor. Diese Jungpensionisten!
Was ist in dieser Ära gelungen, worauf ist der Altpräsident stolz? „In erster Linie auf meine Kinder“, entfährt es dem vierfachen Vater und vierfachen, bald sechsfachen Opa spontan. Und im Rahmen des ehrenamtlichen Engagements am Stephansplatz? Dass es gelungen ist, Kurse zur Natürlichen Familienplanung (NFP) auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen und die viel zu früh verstorbene Dr. Romana Widhalm so zu unterstützen, dass am Institut für Ehe und Familie unter Dr. Helmut Schattovits eine Abteilung zu dieser Frage aufgebaut werden konnte. Der Grund für dieses Engagement lag in der Beobachtung der klinischen Praxis: „Im klinischen Alltag gibt es die NFP nicht, sie wird weder gelehrt noch in irgendeiner Ambulanz praktiziert.“ Kucera hielt in der Folge sogar eine Uni-Vorlesung zu diesem Thema: „Entwickelt haben wir NFP für Sportler, Grüne und Körperbewusste. NFP ist heute anerkannt, wenn man sie richtig anwendet, die Durchführung ist aber nicht einfach.“
In seiner Studienzeit war Kucera Verbandspräfekt der Marianischen Kongregation, als Jungarzt hielt er Vorträge im Rahmen der kirchlichen Ehevorbereitung. Heinz Trompisch, der langjährige Vorsitzende des Katholischen Familienwerks, hat Herwig Kucera dann für die Familienarbeit „geworben“. Die Schulfreunde drückten acht Jahre im Gymnasium Albertgasse gemeinsam die Schulbank, dann führte einer das Familienwerk, der andere den Familienverband. Nicht zuletzt ihre Freundschaft hielt die beiden Vorstände der beiden Organisationen zusammen, ja es gab nur einen gemeinsamen Vorstand. Am Ende der Ära kommt es zur Trennung der Vorstände von Katholischem Familienverband, der sich in Hinkunft hauptsächlich der Familienpolitik widmet, immer aber den Servicebereich aufrecht erhält, und von Katholischem Familienwerk, das sich ganz der Familienpastoral zuwendet. Ironie der Geschichte: Seit September 2004 gibt es das Familienwerk nicht mehr, es wurde in die Kategoriale Seelsorge überführt. Möglicherweise eine Fernwirkung von damals?
Politischer Schwerpunkt der Ära Kucera war das Bemühen um die Durchsetzung des gesicherten Existenzminimums für die gesamte Familie auf Basis der IFES-Faktoren. Noch immer kämpferisch formuliert Herwig Kucera heute: „Familien sind keine Bittsteller! Es ist nicht das Wesen der Frau, mit Sozialhilfe in Zusammenhang gebracht zu werden. Daher gilt es, ein positives Familienbild zu vermitteln!"
In enger Zusammenarbeit mit dem langjährigen KFVW-Generalsekretär Dr. Alfred Racek und dem damaligen Pressereferenten Mag. Andreas Cancura wurde die Öffentlichkeitsarbeit so stark intensiviert, dass es bald zu Spannungen mit anderen Partnerorganisationen kam. Besonderen Anklang fand in dieser Zeit die alljährliche Präsentation der „BLÜTENLESE“ mit ihrer Schulbuchkritik.
Was gilt es in Hinkunft in den Augen des Altpräsidenten zu beachten? „Die finanziellen Dinge sind recht gut gelaufen und jungen Mädchen kann man heute – im Hinblick auf Kinderbetreuungsgeld und Familienbeihilfe - weithin die Existenzangst nehmen. Die außerhäusliche Kinderbetreuung läuft aber nicht so gut“, sagt Kucera. Aus diesem Grund müsse man auch die Forderung nach außerhäuslicher Kinderbetreuung ernst nehmen. Kucera bringt auch einen entwicklungspsychologischen Aspekt ins Spiel: „Viele Kinder werden Fratzen, weil soziales Lernen in der Ein-Kind-Familie nicht gelehrt und vermittelt werden kann.“
Mag. Andreas Cancura