Was die Parteien mit den Familien vorhaben: Neoliberale, konservative oder christlich orientierte Familienpolitik?
Wien, 01. 09. 2006 [Presseaussendung]
Programme und Absichtserklärungen der Parlamentsparteien werden vor einer Wahl natürlich besonders interessant. Der KFVW hat sich die Vorhaben angesehen und stellt seinen Mitglie-dern die wichtigsten Resultate seiner Analysen vor.
Musterbeispiel Kinderbetreuungsgeld
Worauf die Parteien familien- und gesellschaftspolitisch hinauswollen, wird an ihren unter-schiedlichen Positionen zum Kinderbetreuungsgeld sehr deutlich. Diese bedeutende Leistung für die Familien ist einer der schönsten Erfolge des Katholischen Familienverbandes, der sie konzipiert und 30 (!) Jahre lang vehement eingefordert hatte, bis sie endlich 2002 mehrheit-lich vom Nationalrat beschlossen wurde.
Hauptkritikpunkt ist von allen Seiten die Zuverdienstgrenze, die das Konzept des Familien-verbandes nicht vorsah. Ihre Anhebung bzw. Abschaffung wird - wenn auch mit unterschied-licher Vehemenz – von allen Fraktionen gefordert. Was die Bezugsdauer und eine allfällige einkommensabhängige Staffelung angeht, darüber gehen die Meinungen schon weit ausein-ander: Letztere wird von Rot und Grün zugleich mit einer Verkürzung der Bezugsdauer ge-fordert, während, grob gesprochen, das für die sog. bürgerlichen Parteien kein Anliegen ist. Wie wenig solche Änderungsansinnen vom Wohl des Kindes ausgehen, liegt auf der Hand.
Wer wird nach der Wahl obenauf sein?
Völlig unverständlich ist dabei die grüne Forderung, wonach Kinder von Eltern, die vorher verdient haben, je nach ihrer Verdiensthöhe mehr unterstützt werden sollen als die Kinder von Eltern ohne (vorangegangenes) Erwerbseinkommen! Sind auf einmal alle Kinder nicht mehr gleich viel wert? Ebenso gleichheitswidrig und grotesk ist die von der SPÖ propagierte Erhö-hung des monatlichen Kinderbetreuungsgeldes je kürzer die in Anspruch genommene Betreuungszeit ist, „Kindergeld plus“ genannt. Kann es denn gerecht sein, umso mehr pro Monat zu bekommen, je weniger Monate ausschließlicher Kinderbetreuung geleistet werden?
Neoliberal oder zu eng konservativ?
Der Wähler steht vor dem Dilemma, sich zwischen mehr oder minder familiengerechten, ja teilweise sogar familienfeindlichen Programmen und Parteien entscheiden zu müssen. Dabei ähneln die familien- und gesellschaftspolitischen Absichtserklärungen von ÖVP, BZÖ und Freiheitlichen stark, während auf der anderen Seite SPÖ und Grüne nicht weit voneinander entfernt sind:
Die bürgerlichen Parteien sehen die Bedeutung von Ehe und Familie als Grundlagen der Ge-sellschaft, ignorieren aber (mehr oder minder) das immer größer werdende Problem der Familienarmut. Von Familienverband und Caritas immer wieder eingemahnte Maßnahmen - etwa eine existenzsichernde Mindesthöhe des Arbeitslosengeldes und der skandalös niedrigen Kin-derzuschläge für Arbeitlose mit unversorgten Kindern - stoßen auf taube Ohren. Am rechten Rand des parteipolitischen Spektrums wird sogar gegen in Österreich wohnende ausländische Familien gehetzt!
Die Vorschläge von SPÖ und Grünen lassen die Anerkennung von Ehe und Familie als Soli-daritätsfundament der Gesellschaft weitgehend bzw. gänzlich vermissen. Beide Parteien ver-folgen stattdessen einen feministischen Ansatz, die durchaus notwendige und berechtigte Frauenpolitik soll hier allerdings die Familienpolitik dominieren.
Gretchenfrage nach dem Lebensschutz
Die schlimmste Konsequenz eines rein feministischen Ansatzes ist wohl die Rechfertigungs-behauptung der derzeitigen Fristenlösung: Mein Bauch gehört mir! Der Bundesparteitag der SPÖ vom November 2004 beschloss darüber hinaus beispielsweise die „Herausnahme des Schwangerschaftsabbruches aus dem Strafgesetzbuch. Schwangerschaftsabbruch ist kein Straftatbestand!“ sowie die „flächendeckende Abgabe von Mifegyne [gemeint ist die berüchtigte Abtreibungspille RU 486] auch durch niedergelassene ÄrztInnen.“ Wie grüne Lebensschützer zugleich die Fristenlösung als heilige Kuh, der nichts angetan werden darf, verteidi-gen können, bleibt ein ungelöster Grundwiderspruch.
Allerdings haben auch die bürgerlichen Parteien an der Fristenlösung im Grunde nichts We-sentliches auszusetzen. Das falsche Bewusstsein, das die unantastbare Würde menschlichen Lebens (religiös gesprochen, seine Heiligkeit, die das fünfte Gebot schützt) ausblendet, ist fast schon selbstverständliches Gemeingut geworden!
Bessere Familienpolitik!
Andere Zusammenlebensformen wie etwa Lebensgemeinschaften, die als ihr Spezifikum ge-rade Beziehungen ohne Verbindlichkeit, Beziehungen auf Abruf, sind, zu forcieren und ihnen Rechte ohne entsprechende Pflichten einräumen zu wollen, schwächt den Zusammenhalt zwischen Eltern und Kinder, zwischen Mann und Frau. Wollen Rot und Grün diesbezüglich die Gesellschaft gar nicht mehr solidarischer gestalten, beugen sie sich hier -sogar schon in ihren Zielvorgaben - der vermeintlichen Macht des Faktischen? Zählt für Grün und Rot die Natur so wenig, dass sie jedenfalls scheibchenweise de fakto auch eine Homo-Ehe anstreben?
Bei aller Anerkennung und Verteidigung von Ehe und Familie bleibt die Dominanz von Unternehmer- und Kapitalinteressen das Grundübel der ÖVP, womit sie auch ihren christlichen bzw. sozialen Anspruch weitgehend verspielt. Wird die immer neue Aufgabe einer gerechten Wohlstandsverteilung nicht bzw. nur äußerst unzureichend wahrgenommen, dann mangelt es auch der Familienpolitik beständig an Geld.
Die echten Blauen wollen ebenso wie die neuen Orangen kinderreiche Familien durch Einfüh-rung eines steuerlichen Familiensplittings entlasten. Die Freiheitlichen trauen sich sogar, zur Finanzierung die Anhebung des Höchststeuersatzes zu verlangen, während sich Haider für eine Flat-Tax, zu deutsch Kopfsteuer, stark macht.
Der mündige Wähler ist gefordert. Der Familienverband wird alles in seiner Macht Stehende tun, um die Anliegen einer umfassenden Familienpolitik, die ihren Namen verdient, in den Wahlkampf einzubringen und die Parteien durch entsprechende Zusagen für die Zeit danach zu binden. Er wird auch Mittel und Wege finden, auf den Bruch von Versprechungen zu reagieren und diesen tunlichst zu korrigieren!
Alfred Racek, Vizevorsitzender des KFVW