„Versäumnisse in der Wiener Bildungspolitik“
Wien, 27. 08. 2008 [Presseunterlagen der Pressekonferenz vom 27.08.08]
Gratiskindergartenjahr vor Schuleintritt statt Vorverlegung der Schulpflicht notwendig!
„Wien wird seiner sozialen Aufgabe im Bildungsbereich nicht gerecht“, kritisiert die Leiterin des Schularbeitskreises des Katholischen Familienverbandes der Erzdiözese Wien (KFVW), Mechtild Lang. Statt Kindergärten billiger anzubieten und endlich – wie vom Familienverband bereits lang gefordert – ein Gratiskindergartenjahr vor Schuleintritt einzuführen – worauf sich ja auch Bundes-SP und Bundes-VP eigentlich geeinigt hatten, denkt die Gemeinde Wien lieber über eine Vorverlegung der Schulpflicht nach.
Ein Jahr Gratiskindergarten vor Schuleintritt, in welchem auf die Festigung der Sprach- und Sozialkompetenz besonderes Augenmerk gelegt werde, kommt allen Kindern zugute. Ein generelles Angebot macht Unterstützungs- und Befreiungsansuchen überflüssig und hilft dadurch, Scheu, soziale Hemmschwellen und Stigmatisierung zu überwinden. „Die Freiwilligkeit dieses Angebots macht den Unterschied zur Schulpflicht deutlich und bedeutet also keine vorzeitige Verschulung unserer Kinder“, so Lang.
Der Katholische Familienverband der Erzdiözese Wien (KFVW) kritisiert den Vorschlag von Wiens Bürgermeister Michael Häupl, die Schulpflicht mit fünf Jahren beginnen zu lassen. „Man soll die Kinder Kind sein lassen. Kindergärten sind in diesem Alter das adäquate Bildungsinstitut für Kinder“, erklärt KFVW-Geschäftsführer Andreas Cancura. „Bei diesem Vorschlag handelt es sich um den Versuch des Wiener Bürgermeisters, Kinderbetreuungskosten für Kinder ab fünf von der Gemeinde Wien auf vom Bund finanzierte Pflichtschullehrerinnen und -lehrer abwälzen zu wollen“, so Cancura. Besser als die vorzeitige Verschulung der Kinder mit fünf Jahren wäre die Realisierung eines Gratiskindergartenjahres vor Schuleintritt - wie es der Katholische Familienverband vor der vergangenen Wiener Gemeinderatswahl wiederholt vorgeschlagen hat.
Zudem sind die hohen Kosten der öffentlichen Wiener Kindergärten zu kritisieren. Die jahrelang nichterfolgte Anpassung der Bemessungsgrundlage zieht den Familien Geld aus der Tasche.
Renovierungsbedürftiger Zustand der Schulgebäude
Viele Wiener Pflichtschulen sind in einem katastrophalen baulichen Zustand und harren dringend der Renovierung! Es darf nicht sein, dass unsere Kinder aufgrund von Bauschäden – wie etwa in der Vereinsgasse in Wien Leopoldstadt - gefährdet werden!
Laut Bürgermeister Häupl sollen erst in 10 Jahren alle Wiener Schulen renoviert sein, wobei rund 600 Millionen € in die (teilweise) schwer sanierungsbedürftigen Pflichtschulen fließen sollen. Der Haken: Die Bezirke sind laut Dezentralisierungsgesetz zu 100 Prozent für die Erhaltung der Schulen zuständig sind. Da die Sanierungs-Offensive die Bezirksbudgets überlasten würde, bietet die Stadt eine Quotenregelung an: 40 Prozent der Kosten übernimmt die Stadt; 60 Prozent die Bezirke.
Nun soll aber die Stadt nicht auf die Bezirksbudgets zugreifen, die bereits ausgehungert sind, sondern muss die Schulsanierung mit einem Sonderbudget der Stadt Wien finanzieren!
Neue Mittelschule in Wien: „Eintopf statt wirklicher Differenzierung führt zum Bildungsdesaster!“
Katholischer Familienverband verteidigt differenziertes Schulsystem und kritisiert das SP-VP-Konzeptschulmodell, bei dem die AHS zur Gesamtschule wird.
Scharfe Kritik am SP-VP-Konzeptschulmodell einer gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen kommt vom Katholischen Familienverband der Erzdiözese Wien (KFVW). „Eintopf statt wirklicher Differenzierung führt zum Bildungsdesaster!“, erklärt Andreas Cancura, Geschäftsführer des KFVW. „Wenn das Modell einer gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen im Wesentlichen nur bedeutet, dass die AHS in alle Richtungen geöffnet wird, lehnt der Familienverband ein solches Durchhaus entschieden ab. Eine Differenzierung allein in Mathematik, Deutsch und Englisch ist zu wenig, als dass ein solches Konzept den Titel ‚Neue Mittelschule’ verdienen würde“, so Cancura. Mit dem für den Schulversuch „Neue Mittelschule Wien“ vorgesehenen Geld könne man bereits im bestehenden System viel verbessern. Die Aufstockung der Werteinheiten pro Klasse soll einen besseren Schulerfolg in der Neuen Mittelschule Wien garantieren. „Wesentlich mehr Werteinheiten pro Klasse täten aber auch den bestehenden AHS und KMS gut, da wären dann auch sofort die Schulerfolge besser“, erklärt Cancura. Es ist leicht zu erkennen, dass dieses zusätzliche Geld nur als Lockmittel für die Schulversuchsklassen da sein soll. Viele der angestrebten pädagogischen Verbesserungen könnten aber auch leicht an den bestehenden Schulen durchgeführt werden.
„Eine verordnete Gesamtschule mißachtet das Elternrechts auf freie Schulwahl“, so KFVW-Schularbeitskreisleiterin Mechtild Lang. „Das differenzierte Schulsystem sollte ausgebaut, nicht nivelliert werden“, ist Lang überzeugt.
Der KFVW fordert für die Weiterentwicklung des Schulwesens kleine Lerngruppen mit möglichst homogenen Leistungsniveaus in allen Gegenständen sowie mehr Ressourcen für eine sinnvolle Differenzierung und Personalisierung: Dabei sollen Schwache an ein durchschnittliches Niveau herangeführt, Begabte zu Höchstleistungen angespornt werden.
Ziel sei eine differenzierte Schule mit Möglichkeit zu gesundem Mittagessen, einer beaufsichtigten Pausenzeit und einer qualifizierten Nachmittagsbetreuung – und das je nach den Bedürfnissen der Kinder auch an einzelnen Tagen der Woche. Besonders wichtig ist der Wiener Schulkreisleiterin die Freiwilligkeit der Nachmittagsbetreuung, wobei deren Qualität verbessert werden muss. Das bedeutet z.B. Anleitung und Kontrolle bei den Hausübungen. Auch die „Überbrücker-Problematik“ zwischen Vormittags- und Nachmittagsunterricht muss gelöst werden: „Wir müssen es schaffen, dass es die Möglichkeit des gesunden, warmen und kostengünstigen Mittagessens in der Schule ohne Anmeldung zur Nachmittagsbetreuung gibt“, so Lang.
Die AHS sei besonders in der Unterstufe die beliebteste Schulform, und gerade die achtjährige Langform solle weder durch eine Gesamtschule noch eine verlängerte Volksschulzeit beschnitten werden. 50 Prozent der BHS-Maturanten wiederum kommen aus der Hauptschule, was zeigt, dass auch diese Zubringerschiene, die sich auf praktische Begabungen konzentriert, keine Sackgasse ist und auf jeden Fall erhalten werden soll.
Katholischer Familienverband kritisiert Wiener Stadtschulrat für „Pseudodemokratie zu Lasten der Kinder“
Heftige Kritik an der Weisung von Wiens Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl, jedes Schulkind in seiner Wunsch-AHS aufzunehmen, kommt vom Katholischen Familienverband der Erzdiözese Wien (KFVW). KFVW-Schularbeitskreisleiterin Mechtild Lang kritisiert die Weisung an die Schulen als „Pseudodemokratie zu Lasten aller Kinder“. Denn aufgrund dieser Weisung würden auch im kommenden Schuljahr wieder 29 Kinder und mehr in einer Klasse sitzen. Damit bleibe die versprochene Klassenschülersenkung auf 25 Schülerinnen und Schüler nicht nur eines der vielen gebrochenen Wahlversprechen – auch im vergangenen Schuljahr waren ja schon in über 60 Prozent der ersten AHS-Klassen mehr als 25 Schülerinnen und Schülern. „Durch diese Weisung des SSR werden außerdem unweigerlich chaotische Zustände in vielen Schule entstehen: überfüllte Containerklassen stehen im kommenden Schuljahr an vielen Schulen ins Haus. Zusätzliche Wanderklassen stören die Klassengemeinschaft, erzeugen Unruhe und Unsicherheit in der Schulgemeinschaft und bringen Nachteile auch für die neuen Schülerinnen und Schüler“, so Lang.
Der Grund für die bevorstehende Misere: Mehr als 8000 AHS-reife Wiener Kindern besuchen aufgrund der Brandsteidl-Weisung im kommenden Schuljahr ihre Wunsch-AHS, was dazu führt, dass manche Schulen acht erste Klassen eröffnen, während andere Schulen nur eine erste Klasse haben. Genau da nehme aber der SSR seine Ordnungsaufgabe nicht wahr. „Die bestehenden Klassen werden eingeengt, kommende Schülerinnen und Schüler können sich nicht entfalten und werden im wahrsten Sinn des Wortes in die Enge getrieben“, so die KFVW-Schularbeitskreisleiterin. Durch eine solche Vorgangsweise würden auch all jene beeinträchtigt und benachteiligt, die schon an den Schulen sind.
Für den Familienverband soll die Meinung der beteiligten Schulpartner an den einzelnen Schulstandorten ernst genommen werden. Eine Erweiterung der Anzahl der Klassen über das bisher geführte Maß hinaus solle nur mit Zustimmung der Schulpartner geschehen. „Das Mitspracherecht von Eltern, Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern muss in einer solch wichtigen Frage gewahrt werden. Wieder einmal hat der Stadtschulrat seine Ordnungsaufgabe nicht wahrgenommen, die Weisung zeigt nur, dass der SSR nicht politisch verantwortlich handelt“, so Lang.
Gebt unseren Kindern endlich genügend Schulbücher! Schleichende Limitabsenkung stößt auf Kritik
„Gebt unseren Kindern endlich genügend Schulbücher“, fordert der Geschäftsführer des Katholischen Familienverbandes der Erzdiözese Wien (KFVW), Andreas Cancura. Eine Bildungsoffensive beginne mit einer ausreichenden Anzahl von Unterrichtsmitteln. Die ausgebliebene Limiterhöhung für das neue Schuljahr belaste Kinder und Familien, die nun wieder privat Schulbücher zukaufen müssten. „Die fehlende Wertsicherung der Familienleistungen spüren wir nicht nur bei den Familienbeihilfen, die im Gegensatz zu den Pensionen nicht valorisiert werden – warten wir einmal den Beschluss über die 13. Familienbeihilfe ab -, sondern eben auch bei den Schulbuchbestellungen“, erklärt Cancura.
Die Limits für die Schulbuchaktion sind aber seit 10 Jahren – sieht man von einer kleinen Erhöhung 2003 für die Pflichtschüler ab – praktisch eingefroren. „Die Preise der Schulbücher steigen aber weiter. Und so sollen 8 Volksschulbücher um 38,01 Euro, dem Limit pro Kind und Jahr, gekauft werden. Eine Erhöhung auf zumindest 50 Euro für die Volksschule ist unumgänglich!“, so Cancura.
Nicht besser schaut es bei den weiterführenden Schulen aus. Hauptschulen (Limit 84,46 Euro) und AHS-Unterstufen (Limit 85,90 Euro) können nicht mehr für jeden Gegenstand ein Buch anschaffen. Die AHS-Oberstufe (Limit Gymnasien 160,94 Euro, Realgymnasien 152,19 Euro) sind mit zusätzlichen Materialien durch die neuen Methoden des Fremdsprachenlernens besonders belastet. „Das führt zwangsweise zu illegalem Kopieren aus Schulbüchern sowie teuren Zukäufen der Eltern – was nicht im Sinn der Schulbuchaktion und zudem unsozial ist.
Gesprächspartner:
OSR Mag. Mechtild LANG,
Leiterin des Schularbeitskreises des Katholischen Familienverbandes der Erzdiözese Wien
Mag. Andreas CANCURA,
Geschäftsführer des Katholischen Familienverbandes der Erzdiözese Wien